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29. Juli 1998

"November kam mit Sturmesbrausen, tat ordentlich in Fulda hausen..."

Im Rhön-Verlag ist ein Büchlein über die über 1000jährige Geschichte der Juden in Fulda erschienen.

Daß in Fulda einmal über 1300 Juden lebten, mit einer großen und aktiven Gemeinde, davon ist heute in der Stadt nicht mehr viel zu sehen. Wie in an ganz Deutschland, wurden in der Zeit der Nationalsozialisten jüdische Fuldaer erst zur Auswanderung gezwungen, und diejenigen, die blieben, schließlich in Vernichtungslager abtransportiert und ermordet. Nach dem Krieg kehrten nur wenige zurück, die meisten Überlebenden wanderten nach Israel aus. Am 29. Juli 1998 wurde in Fulda ein kleines Buch vorgestellt, in dem ein „historischer Stadtrundgang" durch das Jüdische Fulda abgedruckt ist.

Seit einigen Jahren macht der Fuldaer Diplom-Politologe Heinz-Jürgen Hoppe regelmäßig Stadtführungen durch das jüdische Fulda. Schließlich gibt es seit über 1000 Jahren jüdisches Leben in Fulda - von dem allerdings in Fulda kaum etwas erhalten und zu sehen ist. Heinz-Jürgen Hoppe:

„Es gibt das frühere jüdische Gemeindezentrum neben der Synagoge, von der ja nur noch eine Baulücke übrig ist. Der historische Friedhof in der Innenstadt ist zerstört worden - es gibt nur einen Gedenkstein und einen kleinen Gedenkraum im Zollamt. Es gibt aber noch die frühere Schule - das heutige jüdische Kulturzentrum und dagegenüber die Rabbinerwohnung, und es gibt das frühere jüdische Altenheim Schildeckstraße 10"

Mit seinem Stadtrundgang will Hoppe aber dennoch die Erinnerung wachhalten:

„Ich habe mich auf sechs Orte beschränkt, angefangen vom Zentrum der Stadt "Unterm Heilig Kreuz", dann, wo die frühere Synagoge war. Dann gehe ich weiter zur jüdischen Schule (dem heutigen Kulturzentrum), die Schildeckstraße Nummer 10, und dann eine etwas längere Strecke bis zum früheren Jüdischen Friedhof"

Mehr Orte in der Stadt konnte Hoppe in den Rundgang nicht mit aufnehmen, weil sie außerhalb liegen, wie etwa der zweite Jüdische Friedhof Fuldas. Aber auf dem Stadtrundgang kann er natürlich vieles erzählen, was er mittlerweile über das frühere jüdische Leben in Fulda weiß. Vor 16 Jahren hatte Heinz-Jürgen Hoppe sich im Fuldaer Stadtarchiv, im Rahmen eines Werkvertrags des Hessischen Instituts für Schulentwicklung und Bildungsplanung "HIBS",  mit den Originaldeportationslisten, Schulakten und anderen Papieren beschäftigt.

„Und gerade bei den Deportationslisten habe ich eben des öfteren "Schildeckstraße 10", mein Nachbarhaus, gefunden, oder Bemerkungen: "unbekannt verzogen". Und da habe ich gefragt: Das war doch nur das traurige Ende einer vermutlich längeren Geschichte - gibt es darüber weiteres Material?"

Und das fand er auch, studierte es, und trug es für seine Kurse an der Fuldaer Volkshochschule zusammen - und für seinen Stadtrundgang. In dem jetzt erschienen Büchlein ist dieser Stadtrundgang nachzulesen - es gibt Fotos, etwa von der Synagoge in der ehemaligen Judengasse, heute Straße „Am Stockhaus", oder von einem Purim-Fest 1928 in einem Hotel in der Bahnhofstraße, oder einen Artikel aus der damaligen „Fuldaer Zeitung", nachdem in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 der historische Judenfriedhof in der Stadt dem Erdboden gleichgemacht und die Synagoge zerstört worden waren:

"Auf dem alten Judenfriedhof, der zwischen Lindenstraße und Rabanusstraße inmitten der Stadt lag, sind in den letzten Tagen die Abräumungsarbeiten wieder aufgenommen worden, die durch die starke Frostperiode und den Schneefall unterbrochen waren. Der letzte Grabstein ist jetzt umgelegt. Die Steine wurden an Ort und Stelle so hergerichtet, daß sie evtl anderen Zwecken nutzbar gemacht werden können. Sehr interessant war das Spalten der größeren, noch gut erhaltenen Steine. Auch eine Anzahl Bäume wurden gefällt. Es wäre zu wünschen, daß nun auch die Abfuhr der Steine beschleunigt werden könnte, so daß der geräumige Platz als Grünanlage bald eine Zierde der Stadtmitte wird" ("Fuldaer Zeitung" vom 17.1.1939)

Zur Jahreswende 1938/39 malte der Karikaturist der "Fuldaer Zeitung" eine Wolke mit Gesicht, die mit geblähten Backen kräftig eine Steinmauer umbläst - „November kam mit Sturmesbrausen, tat ordentlich in Fulda hausen. Der Judenfriedhof ging in d'Binsen, ein schmucker Platz wird hier erstehn. Die Foasentnarren mit viel Grinsen, begannen auch schon aufzustehn!", dichtete die Zeitung dazu zynisch und schlecht.

Ab dem 15. Oktober 1941 wurden alle Juden mit dem "Judenstern" öffentlich gekennzeichnet. In drei Deportationszügen, am 8. Dezember 1941, 31. Mai 1942 und 5. September 1942 wurden 243 jüdische Männer, Frauen und Kinder in die Vernichtungslager Salaspils (Riga/ Lettland), Lublin (Polen) und Theresienstadt (Tschechoslowakei), später nach Auschwitz (Polen) verschleppt.

Im Büchlein "Das jüdische Fulda - ein historischer Stadtrundgang"  gibt es eine kurze Geschichte des jüdischen Fulda von den ersten Spuren jüdischen Lebens unter dem Abt Rabanus Maurus (822-842),  über die Fuldaer Judenmorde von 1235 und 1348, über die Duldung der Juden, die Judenordnung von 1751 und der langsamen Gleichstellung im 19. Jahrhundert bis zur Ausgrenzung, Vertreibung und Vernichtung durch die Nazis.

Hoppe wollte mit dem Buch festhalten, was er in den letzten Jahren zur jüdischen Geschichte Fuldas erforscht hat:

„Natürlich kann das nicht vollständig sein, es gibt da viel mehr zu berichten, aber der "Stadtrundgang" soll ja auch dazu dienen, in einem handlichen Format, im wahrsten Sinne des Wortes einem Taschenbuch, interessierten Bürgerinnen und Bürgern als Vorbereitung oder auch als Nachbereitung oder zur weiteren Arbeit als Grundlage zu dienen"

64 Seiten hat das Buch, 14 Mark 80 kostet es  und erschienen ist es im Hünfelder Rhön-Verlag - es gibt darin Tabellen über die Geschichte der Fuldaer Juden, die jüdischen Friedhöfe in der hessischen Rhön, Thüringen und Unterfranken und ein umfangreiches Literaturverzeichnis für den, dem das alles zu kurz ist. Außerdem besteht die Möglichkeit, mit Autor Hoppe selbst durch das jüdische Fulda zu gehen.

(Der nächste historische Stadtrundgang ist am Samstag, dem 6. November 1998. Treffpunkt: Um 15 Uhr vor der Stadtpfarrkirche, Unter Heilig Kreuz)

Zehn Jahre neue Jüdische Gemeinde in Fulda

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 © 1998 Christoph Käppeler
 

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