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Nazi-Rabauken und dümmliche Raufhändel

28. Juli 1998

In Newsgroups liefern sich Studenten Wortschlachten auf unterstem Niveau

von Christoph Käppeler

Immer mehr Menschen sind mit ihrem Computer an das weltumspannende Internet angeschlossen. Dieses Netz bietet früher unangeahnte Möglichkeiten. Informationen zu allen Themen dieser Welt können blitzschnell gesucht und verwertet werden. Man kann innerhalb von Sekunden e-mails an Freunde und Geschäftspartner in der ganzen Welt schicken und von ihnen bekommen. Und dann gibt es noch die tolle Möglichkeit, sich in sogenannten „news-groups" mit Gleichgesinnten über die unterschiedlichsten Themen auszutauschen. Und da sich im Internet ja überdurchschnittlich viele Studenten tummeln, müßte doch die künftige Elite sich dort in hochinteressanten, anspruchsvollen Debatten ergehen. Die Realität sieht allerdings anders aus, meint Christoph Käppeler, der sich solche news-groups einmal genauer angesehen hat:
 
„de.soc.politik.deutschland" heißt das Forum im Internet. Ob da intelligente, studierte, kompetente Internet-User über die beste Methode, die Lohnnebenkosten zu senken, die Renten zu sichern, die Hochschulreform, und so etwas, diskutieren?

Manchmal schon. Häufiger aber ist es eher so, daß sich unter hochtrabenden Überschriften die Beteiligten einfach aufs übelste gegenseitig beschimpfen.

So etwa in diesem Forum ein Informatik-Student namens Nils Henkelmann von der Fachhochschule Fulda. „Werden demnächst weltweit Wagneropern zensiert?" fragt er. Wörtlich schreibt er: „Juden sollten bleiben, wo sie hingehoeren und andere Laender, deren Kulturen, Goetterstrukturen in Ruhe lassen! Ob zionistische Gelder demnaechst auch Schloss Neuschwanstein demolieren? Oder ganz Deutschland plattwalzen lassen? - Zitatende.

 

Er bekommt eine Antwort von einem jüdischen Internet-Nutzer: Über den wundert sich der Fuldaer in seiner Antwort, warum er nicht im Sumpf der Geschichte verschwunden sei. Der Informatikstudent aus Fulda scheint es nicht zu mögen, daß Juden den Holocaust überlebt haben. Einige Internet-Surfer antworten auf seine antisemitischen Tiraden. Einer  findet es seltsam, Zitat: "daß jemand, der so geistlose Beiträge schreibt, sich eines Servers einer deutschen Hochschule bedienen darf" - Zitatende.

Nils Henkelmann beschimpft dann eine Frau, die sich von der Uni Marburg aus über ihn  lustig macht, mit hier kaum wiederzugebenden Begriffen: Vornehm ausgedrückt, unterstellt er ihr, als Prostituierte zu arbeiten.

Allerdings: Auch viele derer, die dem antisemitischen Hetzer contra geben, schreiben nun nicht besonders sachlich: Das wimmelt nur so von gegenseitigen Beschimpfungen wie „Fuck off", „hirntot" und so weiter.

Als einer der Teilnehmer dem Fuldaer Rabauken entgegenhält, gegen ihn hülfe nur noch DDT oder das Entlaubungsmittel „Agent Orange", erwidert der - Zitat: „Bei dir hilft das Entlausungs-, Entwanzungs-, Entzeckungsmittel Zyklon B. Amischwein!" Zitatende.

So geht das zu in den newsgroups im Internet. Oft jedenfalls. In einem anderen Forum über Philosophie etwa streitet man auch weniger über Platon oder Sartre, sondern rauft sich virtuell, allerdings nicht sonderlich virtuos.

Eigentlich bekommen Studenten von den Hochschulen doch den freien Zugang zum Internet, um sich weltweit informieren zu können, Forschungsergebnisse zu recherchieren, sich mit Mitstudenten und anderen Internet-Nutzern in aller Welt austauschen zu können.

Stattdessen habe ich bisher, wenn ich mich für Diskussionen im Internet über bestimmte Themen interessierte, bald wieder davongemacht: Denn fast immer beginnen sie mit einer Meinung von jemanden, und dann wird nicht mehr sachlich diskutiert, sondern nur beschimpft, rechthaberisch bessergewußt und gezankt.

Die zitierten Äußerungen des Fuldaer Studenten und die Antworten darauf sind dafür nur ein Beispiel.

Sollte man etwas dagegen tun? Etwa: Zensur im Internet? Das ist bestimmt nicht die Lösung - man wird ja auch nicht das Telefon verbieten, nur weil es auch obszöne Anrufe gibt. Aber mich würde schon einmal interessieren, warum offensichtlich so viele nicht dumme Menschen das Bedürfnis haben, diese tolle und auch teure neue Möglichkeit des internationalen Austauschs für nichts besseres als dummes Gewäsch zu benutzen.

Und da, finde ich, sollten sich die Verantwortlichen zum Beispiel der FH Fulda einmal mit befassen. Warum etwa einer ihrer Studenten dringend das Bedürfnis hat, rechtsextremistischen Unsinn in der Welt des Internets zu verbreiten. Und sich vielleicht ein wenig Gedanken über das geistige Niveau ihrer Studenten machen, die ja später vielleicht mal, in diesem Fall Gott behüte, wichtige Entscheidungsträger in unserer Gesellschaft werden könnten!

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© 1998 Christoph Käppeler

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