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14. Juli 1998
Ein nostalgischer Blick auf einen alten Streit von 1973
In der Fuldaer Stadtverordnetenversammlung wurde am 13. Juli 1998 über eine Sendung des Hessischen Rundfunks debattiert, die ein Vierteljahrhundert vorher über den Äther gegangen war. Damals war sie ein Stein des Anstoßes in Fulda gewesen - mittlerweile haben sich die damaligen Fronten weitgehend angenähert. Rückblende:
Am 31. Mai 1973 gab es auf hr 1 ein Feature der HR-Journalistin Ulrike Holler. „Wohin am Feierabend" hieß es und befaßte sich mit der Situation und den Freizeitmöglichkeiten Jugendlicher im damaligen Fulda. Wolfgang Hamberger, CDU, auch damals schon Oberbürgermeister, empörte sich seinerzeit öffentlich in der Presse über die Sendung. Sie sei in höchstem Maße tendenziös und scheinheilig gewesen. „Die Fuldaer Jugendlichen", so hatte Ulrike Holler unter anderem festgestellt, „fühlten sich vernachlässigt, unverstanden, ungeliebt in einer Stadt, die das Christentum pflegt". Fuldas OB beschwerte sich, Frau Holler habe einseitig vor allem Personen befragt, die „eigentlich von früh bis abends feierten, besser gesagt, nichts täten, und deren Horizont nach eigenen Worten mit Hasch, Bier und Rotwein abgesteckt sei". Mit bemerkenswerter Einseitigkeit habe Ulrike Holler sich die Gesprächspartner herausgesucht; so, wie sie in das offensichtlich vorgegebene Konzept hineingepaßt hätten, und wo sie ihr nicht hineingepaßt hätten, wie etwa bei den Wasserfreunden Fulda, der Jugend der Pfarre St. Paulus und dem Jugendorchester, da habe sie sich auf wenige Sätze beschränkt. Erbost deutete der Oberbürgermeister medienpolitische Konsequenzen an - auch wollte er sich an den HR-Intendanten wenden.
Die Grünen wollten jetzt in einer Anfrage von Hamberger wissen, wie er 25 Jahre später zu seinem Urteil über die betroffenen jungen Menschen stehe. Der OB darauf:
"Eine auch nur annähernd so polemische und tendenziöse Sendung des Hessischen Rundfunks hat es in den letzten 25 Jahren nicht mehr gegeben - jedenfalls Fulda betreffend. Daß meine damalige Kritik an dieser Rundfunksendung berechtigt war, wird ja allein schon dadurch bestätigt, daß die Verantwortlichen des Hessischen Rundfunks die Reportage zunächst gar nicht zur Ausstrahlung freigegeben hatten. Mit dieser Sendung sollte Fulda in ein bestimmtes Licht gerückt werden, passend zu Klischee-Vorstellungen der Reporterin. Genau das war mein entscheidender Kritikpunkt".
Er selbst aber habe in den 25 Jahren seitdem "dazugelernt, Auffassungen weiterentwickelt und insbesondere kulturpolitisch andere und neue Akzente gesetzt". Und dazu gehöre auch, "alle Initiativen freier Kulturarbeit nachhaltig zu fördern" - also Angebote, die Ulrike Holler damals in ihrer Sendung vermißt hatte. Und ein wenig reumütig gestand Hamberger:
"Den Satz, daß bestimmte junge Menschen eigentlich von früh bis abends feiern, habe ich damals aus Augenblicksärger formuliert. Das hätte ich besser machen können, heute würde ich es so nicht mehr sagen!"
Ernst Sporer von den Grünen erwiderte, er, damals Student, und seine Freunde seien zu jener Zeit alle empört über den OB gewesen. Aber: Hamberger habe sich seitdem tatsächlich geändert und aus Sicht der Grünen maßgeblich zur positiven Veränderung Fuldas Maßstäbe gesetzt.
"Lieber Herr Dr. Hamberger: Im Namen der damaligen - ich setze das in Anführungsstriche - 'Rotwein-, Bier- und Haschjünger' danken wir Ihnen dafür und im Namen der Fraktion der Grünen selbstverständlich auch und möchte Ihnen dafür symbolisch zum Feierabend eine Flasche Rotwein überreichen!"
Den Wein allerdings dürfe Hamberger erst nach Ende seiner Amtszeit im August trinken, frotzelte Stadtverordnetenvorsteher Heinz Gellings (CDU) - sonst gelte das als Bestechung. Hamberger, dann 68 Jahre alt, wird auf einer Sondersitzung der Stadtverordneten am 24. August 1998 verabschiedet werden. Jedenfalls, so Hamberger, sei er zufrieden, weil er in seiner Funktion als Kulturdezernent, die er seit etwa zehn Jahre ausübt, einiges bewegt habe, und, so meinte er:
„Das hat inzwischen auch der Hessische Rundfunk wiederholt lobend anerkannt!"
Ulrike Holler, die damals mit ihrem Feature den geballten Ärger des Fuldaer OB's herausgefordert hatte, arbeitet übrigens immer noch für den Hessischen Rundfunk!
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© 1998 Christoph Käppeler
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