27. August 1997
"Undines Tod" - ein neues Buch von Henning Boëtius
Seit knapp zwei Jahren lebt der Autor Henning Boëtius in Fulda. Seitdem schreibt Boetius - der auf der Nordseeinsel Föhr aufwuchs und 30 Jahre in Frankfurt lebte - seine Bücher über Dichter und seine literarisch anspruchsvollen Kriminalromane hier in der Region - wo er neben seiner Wohnung in Fulda auch noch ein Häuschen in der Rhön hat. Jetzt ist ein neues Buch von Henning Boëtius herausgekommen - „Undines Tod" heißt es - gleichzeitig ein Krimi und ein Buch über einen Dichter, der tatsächlich mal gelebt hat. Christoph Käppeler hat es gelesen:
Eine junge, gefeierte Tänzerin am Berliner Schauspielhaus wird ermordet - Amandine heißt sie; und ihr Tod ist der Anfang einer Serie von weiteren Morden im Theatermilieu von Berlin - im Theatermilieu des Berlins des Jahres 1817.
Aber die Opfer - die Tänzerin, eine Sängerin, eine Prostituierte, die auch singt - sind nicht einfach „nur" getötet worden - sie wurden auch in grausiger Art und Weise verstümmelt. Und auch nach ihrem Tod geschieht noch das ein oder andere überraschend schaurige mit ihren Körpern oder Körperteilen.
Der Berliner Kammergerichtsrat Philipp Kreisler beginnt, die Morde zu untersuchen. Das ist ja sein Amt, aber er ist nicht einfach irgendein unbefangenener Ermittlungsbeamter: Kreisler ist nämlich auch Komponist und Schriftsteller und dadurch unmittelbar mit dem Theater verbunden. Er hat eine Oper geschrieben, die am Theater ein großer Erfolg ist. Er ermittelt also in einer Szene, in der er sich sehr gut auskennt.
Allerdings wird von höchster Stelle versucht, Kreislers Neugier einzudämmen - Der Preußische Polizeiminster schmeißt ihn aus der Sonderkommission heraus, die die Verbrechen untersucht.
Dennoch forscht Kreisler auf eigene Faust weiter, unterstützt von seinem Freund, dem Schauspieler Ludwig Freundt. Sie recherchieren in düsteren Kaschemmen der Berliner Unterwelt. Entdecken selbst bei einer Ausstellungseröffnung gräßliche Eigenschaften einer griechischen Staue. Auch die Tatsache, daß man 1817 Maschinen im Theater hatte, die mehr oder weniger gut einen Menschen ersetzen konnten - zum Beispiel als Tanzpartner einer Ballerina - trägt bei zu der manchmal düsteren, manchmal unheimlichen, manchmal grell-wollüstigen, manchmal ekstatisch-alkoholgeschwängerten Atmosphäre. Eine Welt zwischen Wirklichkeit und Traum; in der die Illusionswelt des Theaters in die reale Welt hinüberschwappt und umgekehrt. Vergleichbar mit den Erzählungen der Romantik.
Das ist kein Zufall: Denn die Figur des Philipp Kreisler ist kein anderer als der Dichter und Komponist der Romantik E.T.A. Hoffmann. Und der war auch tatsächlich damals Kammergerichtsrat und er hat tatsächlich die „Undine"-Oper geschrieben, führte also ein Doppelleben als Beamter und Künstler. Also findet man auch seinen Kater Murr im Krimi, über den er ja die berühmten „Lebensansichten des Katers Murr" schrieb. Auch E.T.A. Hoffmann verband das romantische mit realistischen Elementen. Die Person also gab es wirklich - die Mordserie ist erfunden.
Henning Boetius’ Buch „Undines Tod" zieht einen dabei ebenso in den Bann wie die phantastischen Erzählungen der Romantik. Gleichzeitig vermittelt er auch die Spannung eines Kriminalromans; die geheimnisvollen Verbrechen werden am Schluß aufgeklärt. Aber ist es auch ein Buch, das intellektuell hochgradig unterhält - beispielweise in den philosophisch aufgeladenen Wortgefechten der Freunde Kreisler und Freundt. Das auch äußerlich sehr ansprechend aufgemachte Buch bildet und unterhält zugleich - und ist als kulinarisches Lesevergnügen zu empfehlen.
„Undines Tod" von Henning Boëtius ist im Goldmann-Verlag München erschienen und kostet DM 39,90 Siehe auch:
19. November 1998. "Ich wäre ein Piper geworden" - Der neueste Piet-Hieronymus-Krimi des Wahl-Fuldaers Henning Boëtius heißt "Das Rubinhalsband" und spielt in der mystischen, wilden und whiskeygetränkten Landschaft Schottlands.
24. Juni 1999. Knabenliebe und eine letzte Kutschfahrt. In Henning Boëtius' Novelle "Tod in Weimar" erlebt Geheimrat Goethe wenige Tage vor seinem Tod ein letztes erotisches Abenteuer.
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© 1997 Christoph Käppeler
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