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17. Dezember 2002

Die Wüstefelder versuchen damit zurechtzukommen, dass in ihrem kleinen Ort ein Kannibale gelebt hat -und wollen mit ihm nichts mehr zu tun haben.

Am vergangenen Mittwoch ist das grausige Verbrechen von Rotenburg-Wüstefeld bekanntgeworden: Der 41jährige Armin M., der in einem großen ehemaligen Gutshaus lebte, hatte gestanden, dort einen 42 Jahre alten Mann aus Berlin getötet und Teile seines Fleisches gegessen zu haben. Die Öffentlichkeit war schockiert, die Boulevardpresse trat in Aktion, und in dem kleinen Dorf Wüstefeld mit rund 30 Einwohnern hat sich die Welt verändert. Christoph Käppeler war heute in Wüstefeld:
 

Beitrag von Christoph Käppeler im “hr4-Osthessen- Journal” am 17. Dezember 2002

Beitrag als mp3-Datei

Vorhin gab es mal wieder was zu sehen und zu filmen am Tathaus: Auf der Terrasse nahe der Straße schafften Fahnder in weißen Schutzoveralls eine Tischkreissäge und einen Grill weg. Die werden natürlich auf Spuren untersucht werden, so wie alles, was die Ermittler im Haus finden. Die Spurensicherung muß noch eine ganze Weile weiterarbeiten, so heute Staatsanwalt Hans-Manfred Jung in Kassel. Das Tathaus wird übrigens immer größer: Erst war die Rede von 36 Zimmern, dann von 42, dann von 47 – Gerüchte schiessen ins Kraut; ein Nachbar will sogar das spätere Opfer gesehen haben; und Boulevard-Blätter berichten ständig neue Einzelheiten aus den eigentlich streng geheimen Vernehmungen des Verdächtigen, der in Kassel in Haft sitzt. Manche Nachbarn wollen mit der Presse nicht mehr reden – sie sind genervt, dass sie so in die Öffentlichkeit gezerrt werden.

Franz Toby, SPD, erster Stadtrat in Rotenburg, kannte den Verhafteten von der Bundeswehrzeit her und als Nachbar – Toby hat 100 Meter weiter ein Grundstück mit Fischteich und Bienen.

„Man kann jetzt nicht sagen, dass dieses schlimme Verbrechen die Welt hier verändert hat, denn man kann ja nicht allen unterstellen: Es sind alles Menschenfresser und Kannibalen. Und ich glaube auch, leider ist es s, dass man die schlechten Dinge viel schneller vergißt als die Guten, und ich glaube, dass Ende Januar  hier keiner mehr drüber spricht“

Das Leben geht also weiter, meint er – bei aller Trauer und Abscheu, so Toby:

„Sie sehen ja das an den Medien schon, an dem Fernsehen und an den Printmedien, dass jetzt schont fast keiner mehr hier ist”

Hühnerzüchter Karl-Friedrich Schnaar, dessen Hof oberhalb des Tatortes liegt:

„Bewirkt hat es, dass also am Anfang, so ging es mir jedenfalls, man das Vertrauen in die Menschheit verloren hatte, dass also jeder schon mißtrauisch wurde: Eventuell ist der nächste Nachbar auch von Perversitäten geprägt, keiner kann mehr dem anderen trauen, aber ich denke: das Gefühl war nur sehr kurzfristig da, das ist Gottseidank jetzt wieder weg”.

Insofern herrscht wieder Normalität. Hat aber die schreckliche Tat und der Medienrummel die Menschen und das Zusammenleben in Wüstefeld verändert? Hühnerzüchter Schnaar:

„Ich hoffe, nicht sehr viel. Der Kontakt untereinander, zu den Nachbarn, ist jetzt wieder da, zur Zeit war es mal so ein bißchen eine Funkstille, jeder war für sich, alleine, zurückgezogen, man mußte erstmal begreifen - bewältigen, glaube ich, kann man es so schnell nicht, wenn überhaupt, weiss ich nicht. Aber jetzt kommt der Kontakt untereinander wieder mal, aber das eine Thema ist eben da: Wie geht es euch, oder wie geht es Dir? Man versucht es noch mal “

Eines befürchtet Schnaar allerdings:

„Dass es irgendwelche verrückten Spinner gibt, Kannibalen, im Internet und so weiter, die dann dieses Häuschen, Haus, vielleicht zum Wallfahrtsort auserkoren haben“

Wüstefeld hat einen Imageschaden weg: Auch daran denkt er

„Wir können nur durch unser Auftreten so draußen durch offen und ehrliches Rede-und-Antwort-Stehen, so wie wir uns bisher gegeben haben, weiterleben und können versuchen, dass wir damit zurechtkommen und dass wir einfach nur sagen können: Das ist nicht so: Hier gibt es auch noch vernünftige Menschen“

Erster Stadtrat Toby sieht das so:

„Ich glaube auch nicht, dass die Menschen, die von Rotenburg an der Fulda lesen oder hören, dass die glauben, hier ist also der Teufel los und hier laufen nur Kannibalisten herum”.

Die Nachbarn haben sich auch schon die Frage schon gestellt, ob man den Ex-Nachbarn mal im Gefängnis besuchen sollte:

(Schnaar)„Ich denke, er hat sich jenseits von Gut und Böse gestellt und damit auch abseits  von der menschlichen Gemeinschaft“

(Toby): „Wenn ein Mensch sowas getan hat, dann hat man ja bestimmte Vorurteile und sagt: ‘Mit dem willst Du nichts mehr zu tun haben’ - ich glaub’s nicht!”

 

13. Dezember 2002. “Er war eigentlich ein fröhlicher Mensch”.Bekannte des “Kannibalen von Rotenburg” erinnern sich.

12. Dezember 2002. Hat Hannibal Lecter die Schwelle gesenkt? Nach der Verhaftung des Kannibalen aus Rotenburg-Wüstefeld sind die Lokalpolitiker fassungslos; Psychologen versuchen, die Tat zu verstehen.

12. Dezember 2002. “Es wird Zeit brauchen, das zu verarbeiten”. Ein sachlicher Staatsanwalt; ein schockierter Polizist, erschrockene Bürger: Nach der Verhaftung des “Kannibalen von Rotenburg”.

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© 2003 Christoph Käppeler

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