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Hat Hannibal Lecter die Schwelle gesenkt?

12. Dezember 2002

Nach der Verhaftung des Kannibalen aus Rotenburg-Wüstefeld sind die Lokalpolitiker fassungslos; Psychologen versuchen, die Tat zu verstehen.

Es ist unfaßbar für Polizei, für die Nachbarn, eigentlich für jeden: Ein Mann sucht sich im Internet einen Freiwilligen, der sich vor laufender Kamera töten und essen läßt. So geschehen vor anderthalb Jahren im Rotenburger Stadtteil Wüstefeld. Gestern ist der 41jährige festgenommen worden - gegen ihn wird wegen Mordes ermittelt. Christoph Käppeler mit einer Zusammenfassung und weiteren Reaktionen.

Beitrag von Christoph Käppeler im “hr4-Osthessen- Journal” am 12. Dezember 2002

Beitrag als mp3-Datei

Rotenburgs Bürgermeister Manfred Fehr (SPD) sagt das, was wohl alle Rotenburger denken und fühlen:

(“Wenn mit solcher Perversität konfrontiert wird...schlicht und einfach entsetzt...”)

Und der Landrat des Kreises Hersfeld-Rotenburg Roland Hühn (SPD), meint:

(“Die Menschen im Landkreis sind natürlich sehr betroffen....fast unvorstellbar sind”)

Der 41jährige Festgenommene aus Rotenburg-Wüstefeld war zwölf Jahre lang Soldat in der Alheimer Kaserne in Rotenburg. Deren Kommandeur Michael Helmich:

(“Mir ist die Sache zu Ohren gekommen, der Mann war im Bataillon...viele Jahre ausgeschieden, ich kenne ihn nicht...keinen Zusammenhang...”)

Unterdessen ermittelt die Polizei in Haus und Grundstück des 41jährigen weiter. Der Kasseler Oberstaatsanwalt Hans-Manfred Jung:

“Nachdem der Beschuldigte gestern vor dem Haftrichter sein äußerst detailliertes Geständnis wiederholt hat, ermittelt die Polizei heute vor Ort, ob das Geständnis in dieser Form zutreffend ist”

Allerdings macht der Staatsanwalt deutlich:

“Nach den derzeitigen Erkennnissen ist davon auszugehen, dass es sich um einen Täter und ein Opfer handelt”

Das Essen von eigenen Artgenossen ist beim Menschen ein Tabuthema. Obwohl es immer mal in Notsituationen vorkommt – wie nach einem Flugzeugabsturz in den Anden, als die Überlebenden Fleisch von anderen Abgestürzten gegessen haben.

Dr. Rainer Hoffmann, Leitender Oberarzt an der psychiatrischen Klinik am Klinikum Fulda vermutet, dass es sich bei dem Verbrechen von Rotenburg um sadistisch-masochistische Hintergründe handelt. Der Täter der Sadist – aber: warum ließ sich das Opfer freiwillig verstümmeln und töten? Das kann es geben, sagt Dr. Hoffmann,

„Als eben wir bei schweren psychischen Erkrankungen ausgeprägte Selbstzerstörungstendenzen sehen, verbunden mit Schuldwahn und Nichtwürdigsein mehr, zu leben oder ähnlichen Gefühlsqualitäten“

Warum kann eine solche Tat im 21. Jahrhundert passieren? Dr. Hoffmann glaubt, dass es auch damit zu tun hat, dass über innere, grausame Fantasien in den Medien öffentlich gesprochen wird – zum Beispiel im Film „Das Schweigen der Lämmer“:

 „Ich erinnere vielleicht an die literarische Gestalt des Hannibal Lecter, der ja auch eine große Publizität erreicht hat, so dass auch solche Fantasien, die möglicherweise in vielen Menschen beheimatet sind und aufkommen, tatsächlich auch in die Öffentlichkeit gestellt werden, dass die Schwelle dafür niedriger geworden ist“

Staatsanwalt Jung will den festgenommenen Rotenburger „Kannibalen“ wegen Mordes – nicht etwa wegen „Tötung auf Verlangen“ - anklagen:

“Unter Mord versteht das Gesetz die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen unter gewissen Voraussetzungen; das Gericht und die Staatsanwaltschaft gehen übereinstimmend davon aus, dass der Angeklagte sein Opfer aus Lust am Töten, also aus Mordlust getötet hat, und dadurch wird die Tat zum Mord” 

Selbst wenn dem Täter vom Gericht verminderte Schuldfähigkeit zugebilligt würde – auf die Menscheit dürfte er nicht mehr losgelassen werden, so Dr. Hoffmann:

„Dass die Wiederholungsgefahr.sowohl von Kannibalismus als auch von ausgeprägtem Sadismus sehr hoch ist: die Prognosewerte liegen hier bei einer 100%-igen Rückfallquote“.

 

12. Dezember 2002. “Es wird Zeit brauchen, das zu verarbeiten”. Ein sachlicher Staatsanwalt; ein schockierter Polizist, erschrockene Bürger: Nach der Verhaftung des “Kannibalen von Rotenburg”.

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© 2003 Christoph Käppeler

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