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„NeuSehland oder die Fahrt nach Meiningen“ auf hochdeutsch umfaßt nur 36 Seiten. Richard Müller hat das Buch „dem gröszten Wortmetz des vorigen Jahrhunderts & Meister der Verschreibkunst Arno Schmidt“ zugedacht. Denn:
Er hat den Erzählstil Arno Schmidts übernommen. Das reizvolle daran ist, daß Schmidt sich bewußt verschrieb. Und auch Müller schreibt immer dann, wenn das Wort „ein“ vorkommt, die Zahl eins. Oder statt des Wortes „und“ benutzt er das &-Zeichen - wie in „C & A“. Vor allem aber schreibt er fast kein Wort so, wie es der Duden vorschreibt: „Investoren“ sind die „in-West-(mit W)-Toren“. Den Geruch des Braunkohle-Hausbrandes in der DDR schmeckt er nicht richtig, sondern „riech-dick“. Die „Grenztruppen“ der DDR sind die „Krenztruppen“ Und so weiter
Wie bei Schmidt beginnt jeder Abschnitt mit einem kursiv gesetzten Wort, Satz oder Ausruf - danach geht es normal gedruckt weiter - wie in diesem Abschnitt über eine gefährliche Begegnung mit einem Gülletankwagen auf einer schlechten, kurvenreichen DDR-Straße:
„Elkaweh aus Elpehgeh!!! - meinerseiz, also von rechzwegn kam 1 hoher Tatra mit Gülletank: du liebe Scheiße! uns ungebremst in die Kwere & wollte uns kühlergrillen. Re-Aktionist BH staubte seitwärz zum Stop: außer 1 kleinen Schieflage passierte uns hupend nur der Jauchetanker.“
Das ist hochdeutsch, und doch muß man aufmerksam mitlesen. Dieselbe Passage schilderte Richard Müller 1994 in Rhöner Mundart so:
„..., äbber be do so en hoche Tatra mit zichdausend Liter Trotze hängedruf öm de Äck scheßt, nötzt der gaanz Sarkasmus nüscht: näbenie.
Kömmt drübe vo där Elpege, do sert’s uis. Hatte bis zo zwodausend Säu. Be dos gestonke hot, konnst du dir jo vürgeställ. Leber net, hon iech dedoicht, un gesoart, un de oarme Säu, bestimmt oll entlasse!“
Richard Müller hat ja schon vor einigen Jahren das reine Mundart-Schreiben aufgegeben und versucht sich jetzt in hochdeutscher Literatur. Sein literarischer Horizont ist wesentlich weiter gespannt als der von selbstgenügsamen Heimatdichtern, die nette Histörchen - meist im Büttenredenstil - in Rhöner oder fuldischer Mundart veröffentlichen.
Dese Fahrt nach Meiningen, bei der Richard Müller und sein Begleiter mit dem Nissan durch die Rhön fahren, einen ehemaligen DDR-Wachtturm besteigen, beinahe mit einem Güllelaster zusammenprallen, das Schloß in Meiningen sehen, auf dem Marktplatz eine Bratwurst kaufen, in einer Kneipe die wunderschöne, aber leider schon vergebene Kellnerin anschmachten, das Museum besichtigen und zurückfahren - diese Fahrt ist jetzt ein klassischer Erzählstoff der Rhöner Literatur geworden.
Richard Müllers Buch ist aber nicht schwer zu lesen. So stellt er seiner Geschichte ein Zitat von Wieland voran:
„Schwatzt noch so hochgelehrt, man weiß doch nichts, als was man selbst erfährt.“
Auch ,„NeuSehland oder die Fahrt nach Meiningen“ endet, obwohl hochdeutsch, rustikal - aus Meiningen zurückgekehrt, stellt sich beiden Protagonisten die Frage:
„...wie wärs mit 1 Besuch im Brauhaus: die ham prima Schlachtplatte?“
Richard Müller hat sein Buch „NeuSehland oder die Fahrt nach Meiningen“ selbst auf der Handpresse in nur 200 Exemplaren auf Künstlerpapier gedruckt. Deshalb kostet es auch den nicht ganz billigen Preis von 36 Mark. Erschienen ist es in der „Edition Fundamental“. Beziehbar ist es über den Buchhandel, in Fulda hat es Richard Müllers „Haus“-Buchhandlung“ Uhlenspiegel vorrätig.
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© 2001 Christoph Käppeler